28.5.2006 - 2. Rothaarsteiglauf nach Winterberg

Noch ein Steiglauf nach dem Rennsteiglauf. Khalid Zweiter über 25km in Winterberg!

Nach den ewig langen 72,7 km des Rennsteiglaufs war eigentlich eine Regenerationspause angesagt. Bis Samstagnachmittag sah alles nach einem wettkampffreien Sonntag aus, bis Daniel Pamp, ein laufbegeisterter Kollege von der LGO Bochum, mich gegen 16.00 Uhr anrief und mir netterweise eine Mitfahrgelegenheit zum 2. Rothaarsteiglauf im Hochsauerland anbot. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich spontan, noch mal an einem STEIGLAUF teilzunehmen, gezwungenermaßen für die mittlere Strecke (25km) von Bruchhausen nach Winterberg, da ein Marathon für mich zuviel gewesen wäre. Ein kurzer, analytischer Blick auf das Streckenprofil ließ sofort erahnen, was auf die Läufer zukommen würde. Es galt eine Höhe von insgesamt 1200 m und eine Gefälle von insgesamt 982 m zu bewältigen. Als wäre das nicht genug, verwandelte strömender Regen am Vortag die Laufstrecke teilweise in einen matschigen Sumpf.

Die Lehren des Rennsteiglaufes waren noch frisch in der Erinnerung. So entschied ich mich, zunächst mit der Spitze nicht mitzugehen. Der Moderator hatte schon im Vorfeld einen heftigen Anstieg ca. 150 m nach dem Start angekündigt und ein schnelles Interview kurz vom Start mit Martin Bremer, einem Bergspezialisten, der schon mal den Frankfurter Marathon gewonnen hatte und eine Marathon-Bestzeit von 2:13 Std. aufweist, zeigte sofort, an wem man sich orientieren soll. Er wurde später Gesamtsieger mit ca. 10 Minuten Vorsprung.

Kurz nach dem Start war es dann keine Überraschung, dass dieser den ersten Anstieg wie katapultiert hinauflief. Ein Mitläufer, den wir alle für einen direkten Konkurrenten hielten, versuchte am Anfang mitzuhalten, wofür er später bei ca. km 4 Tribut zollen sollte. Nach km 5 ging es immer noch bergauf. Zwischendurch fand ich einen Laufpartner, der genau mein Tempo lief. Seine aus früheren Teilnahmen resultierenden Ratschläge waren für mich ein wichtiger Grund, meine Euphorie zu bremsen. Denn langsam stellte ich im Eifer des Wettkampfes fest, dass meine Teilnahme, die eine Trainingseinheit sein sollte, schon längst ein Kampf um die vorderen Plätze geworden war. Bis zum km 13 war ich Gesamtdritter. Dennoch blieb ich bei meinem Laufpartner, der zunächst gut drauf zu sein schien.

Ein Blick ab und zu nach hinten gab uns Beiden ein beruhigendes Sicherheitsgefühl. Weit und breit war keine Konkurrenz zu sehen. Plötzlich, bei km 15, als es bergab ging, passierte genau das, womit wir nicht gerechnet hatten. Auf einmal kam einer von hinten wie vom Himmel gefallen. Mein Laufpartner blieb ruhig, ich dagegen nicht. Daher ergriff ich die Initiative und erhöhte das Tempo. Erstaunlicherweise zog mein Laufpartner nicht mit. "Vielleicht ein Schachzug von ihm", dachte ich mir.

Mittlerweile habe ich einen Vorsprung von ca. 300 m erarbeitet. Ich lief ahnungslos weiter, setzte alles auf einer Karte und quälte mich auf den letzten Steigungen hinauf. Das Echo vom Rennsteiglauf ist mittlerweile überall zu hören. Ein kritisches Gespräch mit mir selbst lenkte mich ab. Ich lief und lief durch den matschigen Sumpf, bergauf, bergab. In dem Moment, wo ich mit meinen Gedanken immer noch am Rennsteig war, sah ich ein Schild, auf dem eine 4 stand. 4 km waren noch zu laufen, was für einen Erleichterung! Was ich aber bis dahin nicht wusste: mein Laufpartner hat mächtig aufgeholt. Zum meinem Glück ging es auf die letzten 3 km nur bergab, was zur Verteidigung meines mittlerweile geschrumpften Vorsprung gereicht hat. Musik und lautstarke Ankündigungen der ins Ziel laufenden Athleten sind schon zu hören. Das Ziel ist jetzt in greifbarer Nähe. Auch wenn ich eine Versteinerung in meinen Oberschenkeln spürte, schaffte ich es irgendwie, die letzten Kräfte zu mobilisieren, um nach 1:51,36 Std. ins Ziel als 2. im Gesamteinlauf (2. M 35) zu kommen.

Fazit: Für manche Laufentscheidungen gibt es manchmal keine Logik; auch wenn man sich selbst gegenüber ignorant ist. So sind wir Läufer. Ein bisschen „verrückt“ halt! Dennoch habe ich diese Entscheidung im Nachhinein nicht bereut, denn die schönsten Siege und Platzierungen sind jene, mit denen man als Läufer nicht unbedingt gerechnet hat. Jetzt steht aber eins garantiert fest: Ich werde am nächsten Wochenende keinen STEIGLAUF mehr laufen.

Khalid Ghazi